Nein sagen ohne schlechtes Gewissen – 10 erprobte Tipps für die Praxis

Die Hälfte. Maximal.

An manchen Tagen blieb mir sogar nur ein Viertel von dem, was ich hatte.

Der Rest wurde mir genommen.

Das war bitter. Frustrierend. Erst mal…

Was war in meinem Leben schiefgelaufen?

Nichts.

Alles war wunderbar.

Doch mein Sohn war eines dieser Kinder, die man als „High Need Baby“ bezeichnet [1].

Während andere satte Babys stundenlang täglich im Bettchen oder Wiege schliefen, brauchte mein Sohn permanent Bewegung oder Körperkontakt, um schlafen zu können. Oder er schlief erst überhaupt nicht.

Also musste ihm jemand diesen Körperkontakt geben oder beschäftigen. Vieles geht so trotzdem; vieles nicht.

Wo ich vorher (abzüglich Schlaf) täglich 16,5 Stunden für meine Arbeit, mich und geliebte Menschen hatte, blieben mir mit etwas Glück acht.

Das klingt zunächst recht viel. Doch in diese acht Stunden musste die komplette Arbeit, Essen, Sport, Selbstfürsorge, … gesteckt werden.

Ich hatte also nicht nur wenig Schlaf, sondern auch extrem wenig Zeit.

Das Gute daran? Ich konnte testen, wie ich es schaffe, am besten „Nein.“ zu sagen.

Hier sind meine 10 besten Tipps Nein zu sagen:

#1 Die peinliche Pause – Nein sagen durch nichts sagen.

Wenn du gerade erst anfängst, für dich einzustehen und Nein zu sagen für dich noch etwas zu viel ist, wirst du mit den ersten beiden Tipps einen guten Einstieg finden können. Nummer 1:

Jemand bittet dich um etwas. Du möchtest Nein sagen, aber es wäre dir schon unangenehm. Dann kannst du einfach nichts sagen. Das heißt nicht, dass du dein Gegenüber ignorierst. Du lässt einfach ein, zwei, fünf oder sogar sieben Sekunden verstreichen. Diese Zeit kann sehr lang wirken. Und das merkt auch dein Gegenüber.

Du gibst ihr oder ihm so höflich Zeit, die Bitte zu überdenken. Denn viele Menschen bitten aus eigenem Interesse um etwas, ohne darüber nachzudenken, dass das für dich anstrengend, zu viel oder zum falschen Zeitpunkt sein könnte. Du brauchst so nicht Nein sagen.

Oft wird dein Gegenüber die Bitte oder Forderung relativieren.

#2 Nein sagen ohne schlechtes Gewissen durch Verschiebung

Auch mit diesem Tipp kannst du ein direktes Nein sagen vermeiden.

Kennst du es, zu etwas Nein sagen zu müssen, was du nicht ablehnen würdest, hätte dein Tag 100 Stunden? Hat er aber nicht, also gehts nicht?

Typisch sind hier Einladungen. Und so kannst du sie elegant ausschlagen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen:

„Hey Hannes, ich feiere am nächsten Samstag meinen Geburtstag. Wäre total schön, dich zu sehen – komm vorbei!“

„Tom, danke für die Einladung! Ich stecke aber gerade mitten in einem Projekt. Ich packe das gerade nicht, aber ich würde dich sehr gern ein andermal sehen. Wann könnten wir Ende des Monats zusammenfinden?“

Du sagst Nein zum Treffen oder auch zu einer Bitte, signalisierst aber gleichzeitig deine Wertschätzung gegenüber der oder dem anderen. Du wiest merken: Die Wertschätzung ist das Wichtige, – das Kommen zum Geburtstag meist nicht.

#3 Dir Zeit verschaffen und dann Nein sagen

Vielen sensiblen Menschen fällt es schwer, direkt Nein zu sagen. Die Übung oder Schlagfertigkeit fehlt. Doch kein Problem!

Verweise auf deinen Kalender, um dir Zeit zu verschaffen.

So hast du Zeit, alle Eindrücke der Situation sowie alle Optionen zu reflektieren, bevor du zu einer Entscheidung kommen musst.

Wenn du dir so sicher geworden bist, kannst du selbstbewusst Nein sagen. Oder ja.

#4 Sei dir sicher, wozu du Nein sagen kannst

Und genau hier taucht ein großes Problem auf.

Wozu solltest du Nein sagen? Wozu Ja? Was ist es wert, eventuell in einen Konflikt zu gehen und was nicht?

Dafür ist es wichtig, genau zu wissen, was du bewusst und (noch) unterbewusst willst.

An das Unterbewusste kommst du schnell und präzise mit dem Physiast Unterbewusstseins-Matching (Arbeits-Titel).

Hast du eine ganz genaue Vorstellung davon, weißt du sehr schnell, wozu Nein zu sagen sich lohnt.

Die meisten denken, – wie ich lange – sie wüssten genau, was sie wollen. Doch in dem Moment, wo du einsiehst, dass es in vielen Momenten nicht so ist, hast du den ersten Schritt getan, um es herauszufinden und ein entspannteres und fokussiertes Leben zu führen und automatisch in vielen Situationen keine Probleme mehr mit den Nein sagen zu haben.

#5 Mach den Deal klar.

Jedes Mal, wenn du zu etwas Ja sagst, sagst du zu sehr vielen anderen Dingen Nein. Das mag dir in dem Moment, wo dich jemand bittet oder fordert nicht klar sein. Doch wenn du etwas mit einem Nein ablehnst, lässt du dir die Möglichkeit, zu anderen Dingen Ja zu sagen.

Nein sagen ohne schlechtes Gewissen geht nur, wenn du das verstehst.

Und das sollte auch deine Chefin oder Chef bzw. Mitarbeiter:in wissen, wenn sie oder er dich um etwas bittet.

Sag, was du deswegen nicht mehr schaffen wirst:

„Lisa, klar kann ich die Präsentation für den neuen Kunden übernehmen. Nur werde ich dann leider das Treffen mit Frau Wilkens absagen müssen. Du wirst selbst sehen, dass beides in dem kurzen Zeitraum nicht machbar ist. Also: Was ist dir wichtiger?“

#6 Übertreibe es humorvoll

Statt mit einem schlechten Gewissen, der entsprechenden Körperhaltung und Mimik das Nein sagen zu einem unterwürfigen Kniefall werden zu lassen:

Mach es dir und der anderen Person nett. Wenn du sicher bist, dass du etwas auf keinen Fall willst (siehe Tipp #4), kannst du ohne wütend zu werden es innerlich als absurd abtun, dass du auch noch das schaffen oder machen sollst. So kannst du der Anfrage mit Humor begegnen.

Ein Nein ist eine Ablehnung. Doch Humor verbindet [2]. Er macht Nein sagen ohne schlechtes Gewissen möglich, da du menschliche Wärme statt deine Zeit verteilst. Du kannst geben ohne zu verlieren.

Wie du das praktisch machst?

Schüttel den Kopf, lächle breit und sage statt nur „Nein … [beliebige Begründung, die keinen interessiert]“:

„Lisa. Auf gar keinen Fall!“

So bleibt die Stimmung gut und du hast trotzdem Nein gesagt.

#7 Nein sagen ohne schlechtes Gewissen mit Micro-Engagement

Ich habe eine Zeit nebenberuflich fotografiert. Videos für den Physiast YouTube-Kanal habe ich auch passabel hinbekommen.

Das wissen noch viele Bekannte von mir. Vor einiger Zeit bekam ich eine Anfrage, ob ich nicht für einen anderen YouTuber Fotos machen könnte. Klar könnte ich. Es freute mich sogar ein wenig, als ich die Anfrage bekam. Mein Ego fühlte sich kurz sanft gekrault.

Doch kurze Zeit später merkte ich, dass ich Dinge zu tun habe, die für mich deutlich wichtiger sind (siehe wieder Tipp #4) und für die allein ich mehr Zeit gebrauchen könnte als ich habe.

Ich wollte aber gern helfen. Also sagte ich:

„Ich kann euch gern meine Kamera und Licht-Anlage zur Verfügung stellen. Ich werde zuhause sein, damit ihr euch sie abholen könnt.“

Das Schema für dein Micro-Engagement:

„Du kannst gern [beliebige zeitschonende Unterstützung]. Ich stelle sicher, dass das klappt.“

So freue ich mich, helfen zu können und mein Gewissen ist beruhigt, falls es sich meldet. Dein Gegenüber wird oft sehr gut unterstützt und trotzdem hast du wenig Zeitaufwand.

#8 Nein sagen ohne schlechtes Gewissen mit Vermittlung

Die Vermittlung ist eigentlich auch ein Micro-Engagement. Doch statt mit eigenen Ressourcen zu helfen, vermittelst du einen Kontakt. Du hilfst mit deinem Netzwerk.

„Ich kann dir nicht wirklich helfen, aber [Kontakt] könnte vielleicht.“

#9 Priorisieren statt Gruppieren

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass aus dem Priorisieren von Aufgaben oder Zielen oft eher ein Gruppieren gemacht wird.

Es ist einfach, die zehn wichtigsten Aufgaben des Tages zu benennen (Gruppierung)

Weniger einfach ist es, die eine konkrete wichtigste Aufgabe des Tages zu benennen. Und dann konkret die Zweitwichtigste. Und so weiter (Priorisierung).

Doch genau das ist entscheidend, um zu wissen, wozu du Nein sagen solltest und kannst. Zusammen mit Tipp #4 hilft dir das enorm, um ohne schlechtes Gewissen Nein zu sagen. Einfach, weil du weißt, was DIR deine Zeit wert ist und was nicht.

#10 Lerne.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass du diesen Artikel exakt einmal liest. Du freust dich jetzt, so gute Tipps bekommen zu haben und du nimmst dir vor, sie umzusetzen.

Du schließt den Tab in deinem Browser und kehrst in deinem Alltag zurück.

Die Tipps sind in weniger Zeit vergessen, als du gebraucht hast, um sie zu lesen.

Wenn du wirklich häufiger in deinem Leben Nein sagen willst, ist meine klare Empfehlung:

Lerne deine Lieblingstipps. Wie willst du es nächstes Mal machen: Nein sagen ohne schlechtes Gewissen? Lerne jetzt. Dann hast du die Tipps im Kopf, wenn du sie brauchst.

Mach dir am besten ein Lesezeichen für diesen Artikel und lies die Tipps immer wieder.

Hör nicht auf zu träumen, – dein Hannes

[1] Sears, William; Sears, Martha (1996): Parenting the Fussy Baby and High-Need Child: Everything You Need to Know – From Birth to Age Five. Pap: Little.

[2] Treger, Stanislav; Sprecher, Susan; Erber, Ralph (2013): Laughing and liking: Exploring the interpersonal effects of humor use in initial social interactions. In:Eur. J. Soc. Psychol., n/a-n/a. DOI: 10.1002/ejsp.1962